Gedanken zum Wochenende

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Für die Offenheit und Vielfalt des Lebens

Himmelfahrt und Pfingsten sind Feste, die den Blick für eine andere Wirklichkeit öffnen. Immer öfter provoziert diese Botschaft auch Gewalt und Sachbeschädigung.

Von Pfr. Friedemann Düring, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und "Erwachsen glauben" im Kirchenkreis Zossen-Fläming

Himmelfahrt letztes Jahr: Ein pöbelnder Mob junger, angetrunkener Männer postiert sich vor dem Pfarrhaus Niedergörsdorf, einer klettert über den Zaun und versucht die Regenbogenfahne vom Pfarrhaus zu reißen. Die Pfarrerin stellt sich mutig entgegen. Die Männer ziehen nach einigem Wortscharmützel davon, zum Glück blieb es beim geringen Sachschaden.

Ähnliche Vorfälle gab es auch schon in Luckenwalde und kürzlich in Blankenfelde, als Unbekannte ein großes Banner an der evangelischen Kirche zerschnitten haben. Das hatte die Gemeinde aufgehängt, um sich für Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit zu positionieren und gegen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Anfang dieser Woche dann eine Hakenkreuz-Schmiererei am Firmenschild unseres kirchlichen Verwaltungsamtes in der Zossener Bahnhofsstraße.

Es ist in unserem Land gehörig etwas in Schieflage geraten. Und es passt in eine Reihe von zunehmendem Hass und Gewaltbereitschaft, die in tätliche Angriffe gegen politisch Engagierte in Dresden und anderswo münden.

Was kommt als Nächstes? Hass und Respektlosigkeit ufern aus, und das sollte uns alle alarmieren, egal wo wir uns politisch-gesellschaftlich verorten. Um es klar zu sagen: Auch kleinere Sachbeschädigungen sind Straftaten, ein Hakenkreuz zu schmieren kein „Dummer-Jungen-Streich“. Und wer Gewalt gegen Menschen anwendet, die nicht ins eigene Meinungsbild passen, der greift auch die Grundlagen unseres Zusammenlebens an.

Immer wieder mal wird den christlichen Kirchen unterstellt, sie würden sich dem liberalen, links-grünen Zeitgeist unterwerfen. Doch darum geht es im christlichen Glauben nicht, vielmehr darum, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, Mitmenschlichkeit zu zeigen und sich von dem leiten zu lassen, „was Christum treibet“ (Martin Luther).

Kirchenjahreszeitlich befinden wir uns gerade zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Beide christlichen Feste erinnern an Aufbrüche und rufen auf, dem Geist der Freiheit Raum zu geben. Und nicht nur mit Christi Himmelfahrt wird der Blick für eine Wirklichkeit geöffnet, die unsere rationalistisch geprägte Sicht der Dinge übersteigt. Pfingsten rundet diese Erfahrung dahingehend ab, dass Menschen – in der biblischen Überlieferung die Jüngerinnen und Jünger Jesu – bereit sind, dieser Lebensoffenheit Stimme und Raum zu geben.

Die Welt befindet sich in einem rasanten Veränderungsprozess. Unbestritten sind wir in immer schnellerer Abfolge Krisen ausgesetzt, die uns Angst machen und die immer weniger beherrschbar erscheinen. Krisen gab es jedoch schon immer: Die Antwort der biblischen Autoren darauf war zu keiner Zeit Abschottung, sondern die Öffnung hin zur Welt. Der Einsatz für Bedürftige und Leidende, das Eintreten für Benachteiligte, das Wahrnehmen dessen, was Menschen benötigen für ihr Lebensglück, das sind sozusagen die Grundkonstanten jüdisch-christlichen Glaubens.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik gleich zu Beginn. Dieser Satz gründet auf der biblisch-theologischen Überzeugung, dass jeder Mensch, egal welcher Hautfarbe, sexueller Orientierung und Herkunft als Ebenbild Gottes eine besondere und besonders schützenswerte Würde verliehen wird. Das gilt auch dann, wenn Kirchen diesem Maßstab nicht immer gerecht werden.

Worauf es ankommt und wohl schon immer angekommen ist: Wir dürfen uns von der Angst vor Veränderung nicht beherrschen lassen, Hoffnung, Mut und Offenheit für die Lebensvielfalt bleiben.