
14/07/2025 0 Kommentare
Neuer Blick auf alte Steine
Neuer Blick auf alte Steine
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Neuer Blick auf alte Steine
VON SUSANNE ATZENROTH
Die Glocken sind der Herzschlag des kleinen Dorfs Oehna in der Nähe von Jüterbog im Kirchenkreis Zossen-Fläming, das sich um den idyllischen Dorfteich gruppiert. Vom Kirchturm erklingt ihr Schlag jede halbe und volle Stunde. Sie rufen zum Gottesdienst und läuten seit Jahren auch das neue Jahr mit einem zehnminütigen Klang ein.
Seit Nicolas Mozelewski in Oehna lebt, geht er kurz vor Mitternacht mit seiner Partnerin und einer Flasche Sekt die wenigen Schritte vom ehemaligen Pfarrhaus durch die Holzpforte, die sein Grundstück vom Kirchgelände trennt, und drückt den Knopf für das Geläut. „Das kenne ich aus meiner Berliner Zeit und finde es eine schöne Art, ins neue Jahr zu starten.“ Die Dorfbewohner freuen sich, bedanken sich und schicken Neujahrsgrüße per WhatsApp. Schließlich haben sie ihm nicht nur ihr geschichtsträchtiges Pfarrhaus von 1795 anvertraut, sondern auch den Kirchenschlüssel übergeben.
Rund 450 Menschen leben in Oehna, etwa ein Drittel gehört zur Kirchengemeinde. Diese verkaufte Mozelewski, seiner Partnerin und zwei Freunden das ehemalige Pfarrgehöft. „Es war sehr bewegend, als es in einem Abschiedsgottesdienst entwidmet und uns in Erbpacht übergeben wurde“, erinnert sich Nicolas Mozelewski. Er vertieft sich in jedes historische Detail von Haus und Kirche, sammelt Fotos und Archivmaterial. Eine Abschrift der Ersterwähnung Oehnas hängt neben seiner Haustür. „Geschichte hat mich schon in der Schulzeit fasziniert“, sagt er. Und in Berlin führte er schon Besucher durch seinen Stadtteil Neukölln. „Ich bin ein Erklärbär“, sagt er schmunzelnd über sich.
Netzwerk bilden für offene Kirchen.
Seit Jahresbeginn nimmt Nicolas Mozelewski an einem Kurs für Kirchenführer*innen im Kirchenkreis Zossen-Fläming teil, der im Herbst endet. „Dabei geht es nicht nur um historische Fakten, sondern auch darum, Geschichten hinter der Geschichte zu entdecken und ihnen Raum zu geben“, sagt Friedemann Düring, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit.
Dieses Angebot soll mittelfristig auch dazu führen, ein Netzwerk zu bilden und Kirchen verlässlich zugänglich werden zu lassen. „Kirchengebäude strahlen etwas aus, was Menschen weit über die Kirchengemeindegrenzen hinaus anspricht“, betont der Pfarrer weiter. Das Kurskonzept läuft auf Basis des Modells von Annegret Gehrmann, dass sie für die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des ländlichen Raums entwickelt und bereits dreimal im Kirchenkreis Niederlausitz durchgeführt hat.
Mit 21 weiteren Teilnehmern absolviert Nicolas Mozelewski an sechs Samstagen ein dichtes Programm aus Kunstgeschichte, Kirchenpädagogik und Theologie. „Seitdem schaue ich noch genauer hin“, sagt er. Seine Entdeckungen weiß er lebendig zu vermitteln. So zeigt er Fehlstellen in den kunstvoll gesetzten Feldsteinquadern, die auf ursprüngliche Fensteröffnungen und Eingangsportale der Kirche aus dem 13. Jahrhundert hinweisen. Auch Seltenes hat er aufgespürt, etwa den „Schachbrettstein“ in der Fassade oder einen Quader mit Kreuzmarkierungen.
Viele Pläne für die Zukunft.
Später plant Mozelewski regelmäßige Kirchenführungen. „Zuerst für die Dorfbewohner. Ich freue mich besonders auf die Geschichten, die sie mir erzählen können.“ Danach könnte er sich vorstellen, ein Schild an der Rad- und Skaterstrecke aufzustellen, die am Kirchengrundstück vorbeiführt. Doch noch ist er beruflich stark eingespannt. Der Jurist pendelt fast täglich nach Berlin. Jede freie Minute verbringt er im weitläufigen Garten mit uralten Bäumen, den er in ein naturnahes Paradies für Vögel und Insekten verwandelt. Auch im Kirchturm nisten inzwischen Schleiereulen und Falken. „Ich möchte nirgendwo anders mehr sein“, sagt Nicolas Mozelewski überzeugt.
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