Ladenkirche und Kinderfest

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Ladenkirche und Kinderfest

VON SUSANNE ATZENROTH

Glühwein nach dem Krippenspiel, ein Gitarrenkonzert mit dem Dorfclub, die Kunstausstellung mit Künstlern aus der Region oder das Kinderfest vor der Kirche – inklusive Grillen mit der Feuerwehr: All das wäre vor einigen Jahren kaum denkbar gewesen. Ebenso ­wenig wie die Idee einer Herbergskirche in Hohenseefeld oder der „Ladenkirche“ in Werbig – einem ehemaligen Gartenmarkt, den die Kirchengemeinde heute als offenen Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft nutzt.

In der Gesamtkirchengemeinde Niederer Fläming hat sich viel ­bewegt. „Wir hätten nie gedacht, dass wir unsere Kirchen so vielfältig und vor allem gemeinsam mit allen – ob Gemeindeglied oder nicht – nutzen können und vor allem ­dürfen“, sagt Gerlinde Sasse an der Kaffeetafel. Diese ist zum Gemeindenachmittag in der Ladenkirche reich gedeckt. Eine internationale Reisegruppe, organisiert von der Gossner Mission, wird erwartet. Auf den Tischen stehen selbst gebackener Kuchen und Schalen mit frisch gepflückten Kirschen. Kinder und Erwachsene treffen sich hier. Auch für Feste und Feiern kann man die Räume der einstigen „BHG – Bäuerliche Handelsgesellschaft“ mieten.

Neue kreative Formate wie die “Kossiner Nachmittage”

„Die Menschen freuen sich, wenn sie einfach zusammen­kommen und miteinander reden können“, sagt Christina Kampf. Die Gemeinde­diakonin und Theologin war von 2020 bis 2023 Teil des ­Projekts ­„Missionarische Erprobungsräume“, das drei halbe Stellen für drei Jahre finanzierte. Die Idee dazu kam von Pfarrerin Lý-­Elisabeth Dang: „Nur weil die Strukturen am Ende sind, heißt das noch lange nicht, dass Gott mit uns am Ende ist.“

Zur Gesamtkirchengemeinde ge­hören zwölf Dorfkirchen – bei nur rund 700 Gemeindegliedern. Die klassischen Gottesdienste waren schon lange schlecht besucht. Stattdessen entstehen nun kreative Formen des Zusammenkommens – in und um die Kirchen, gemeinsam mit allen Dorfbewohnern. So gehen zu den „Kossiner Nachmittagen“, einem Dialogformat bei Kerzen und Musik, dreimal so viel Menschen in die Kirche, wie das kleine Dorf ­Einwohner zählt. Dafür erhielt die Kirchengemeinde in der vergangenen Woche den Ökumenepreis der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

In ­Gräfendorf laufen die Vorbereitungen für das nächste Kinderfest auf Hochtouren. Viele helfen mit – ob beim Kinderschminken oder bei der Musik. „Das ist kein Stress, sondern ein Gemeinschaftsprojekt, das uns viel zurückgibt“, so Marika Möhle, eine engagierte ­Ruheständlerin. Sie ist begeistert: „Wir sind bunt und lebendig geworden.“ Im Dezember steht dann wieder das Nikolausfest an – samt Stiefelputzmaschine – und natürlich mit der Feuerwehr. Auch das Krippenspiel wird zu Weihnachten alle einbinden. Eine Grundschullehrerin, selbst keine Christin, studiert es jedes Jahr mit den Dorf­kindern ein.

Zu Beginn des Projekts habe sie viele Dorfspaziergänge gemacht, sich alles zeigen lassen, berichtet Christina Kampf. Sie fragte und hörte zu: „Was läuft gut? Wo gibt es Sehnsüchte?“ In Gräfendorf etwa sind die Kinder- und Nikolausfeste aus dem Wunsch entstanden, zugezogene Berliner Familien stärker in die Gemeinde einzubinden.

Pfarrerinnen Johanna Moser und Miriam Keller neu im Team

Zum Projektteam gehörte anfangs auch Pfarrerin Britta Rostalsky. „Wir haben viel zusammen ­gebetet“, erzählt sie. Und Christina Kampf fügt hinzu: „Ob ein Vor­haben gelingt, liegt in Gottes Hand. Wir können nur das Gras wachsen hören – und dann gießen.“ ­Ihrer Ansicht nach machten sie „ja nichts anderes als normalen Pfarrdienst – nur mit mehr Freiheit in der Aus­legung der Strukturen“, sagt ­Christina Kampf. Diese Ge­danken ­möchte sie dem neuen Pfarrteam Johanna Moser und ­Miriam Keller mit auf den Weg ­geben. Die beiden Entsendungspfarrerinnen über­nehmen das ­Projekt nun für zwei Jahre in der Region rund um ­Luckenwalde.

Die Kirchen stehen in der Mitte des Dorfes und gehören allen – nicht nur den wenigen, die zum Gottesdienst kommen, davon sind Pfarrerin Lý-Elisabeth Dang und Christina Kampf überzeugt. Diese Haltung hat sich mittlerweile verbreitet – doch es gab auch kritische Stimmen: „Die Menschen kommen doch nur ­wegen Kaffee und Kuchen, nicht wegen der Botschaft des Evange­liums“, meinten einige.

Weiterhin auch traditionelle Gottesdienste

Christina Kampf widerspricht: „Jesus war auch bei den Menschen zu Gast, hat mit ihnen gegessen und getrunken – unabhängig von ihrer Überzeugung oder Religion. Das ­gemeinsame Essen und Trinken war von Anfang an Teil der heilsamen Begegnungen Gottes mit den ­Menschen.“ Traditionelle Gottesdienste bleiben neben allen neuen Formaten bestehen, nur finden sie an weniger Sonntagen statt. „Bei den neuen Gemeinschaftserlebnissen sind wir als Pfarrpersonen auch immer dabei – nur werden wir ­anders gefragt“, so Kampf. „Neben einer kürzeren Andacht und einem Gebet nehmen wir uns viel Raum für Gespräch und Seelsorge am Rande.“

Veränderungen brauchen Zeit. „Was können wir in zwei Jahren schaffen?“, fragen sich Johanna Moser und Miriam Keller, die den Prozess künftig begleiten. Am Anfang stand ein Innovationsabend, um mit Interessierten ins Gespräch zu kommen: Was läuft gut? Was fehlt? Wo gibt es Bedarf? Erste Projektideen entstehen bereits – und jemand aus dem Ort hat sich schon für eine Kunstausstellung angemeldet. „Wir sind gespannt, welche Richtung das Evangelium hier nimmt“, sagt Johanna Moser.

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